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Mir hat her gerhart atze (Atzenton)





Walther von der Vogelweide (13.Jh.) erbost sich hier (vermutlich vor dem Wartburghof zu Eisenach) über den Höfling Herrn Atze. Dieser bezichtigt Walther, sein Pferd wäre von der gleichen Art, wie dasjenige, welches ihm einen Finger abgebissen hat. Walther streitet dies ab, da die beiden fraglichen Pferde sich niemals getroffen haben. Walther spricht, solch ungefüges Reden hat am Hofe keinen Platz, man möge doch lieber den aufrichtigen Sängern die Ehre erweisen.
Dies ist Sangspruchdichtung in seiner schönsten Form (also genau kein Minnesang), für den Walther von der Vogelweide an den Höfen berühmt wurde.

Mir hat her Gerhart Atze
ein pfert erschozzen zïsenache;
daz klage ich dem den er bestat:
derst unser beider voget.
Ez was wol drier marke wert,
nu hœrent frömde sache:
sit daz ez an ein gelten gat,
wa mit er mich nu zoget.
Er seit von grozer swære,
wie daz min pferit mære
dem rosse sippe wære,
daz im den vinger abe
gebizzen hat ze schanden:
ich swer mit beiden handen,
daz si sich niht erkanden,
ist ieman der mir stabe?

Swa guoter hande wurzen
sint in einem grüenen garten bekliben,
die sol ein wiser man
niht lazen unbehuot.
Er sol si schirmen als ein kint
mit ougenweide in zarten;
da lit gelust des herzen an,
und git ouch hohen muot.
Si boese unkrut dar under,
daz breche er uz besunder
(lat erz, daz ist ein wunder),
und merke ob sich ein dorn
mit kündekeit dar breite,
daz er den furder leite
von siner arebeite,
sist anders gar verlorn.

Uns irret einer hande diet:
der uns die furder tæte.
so möhte ein wol gezogener man
ze hove haben die stat.
Die lazent sin ze spruche niet,
ir drüzzel derst so dræte:
kund er swaz ieman guotes kan,
daz hulfe niht ein blat.
«Ich und ein ander tore
wir dœnen in sin ore,
daz nie kein münch zu kore
so sere me geschrei.»
Gefüeges mannes dœnen
daz sol man wol beschœnen,
des ungefüegen hœnen:
hie get diu rede enzwei.



Mir hat Herr Gerhart Atze ein Pferd / erschossen in Eisenach. / Deswegen erhebe ich bei dem Klage, in dessen Dienst er steht: / er ist unser beider Gerichtsherr. / Es war gut drei Mark wert,/ nun hört eine erstaunliche Geschichte. / mit der er mich hinhält, / nachdem es um die Entschädigung geht./ Er redet von großer Beleidigung, / dass nämlich mein berühmtes Pferd / dem Roß verwandt sei, / das ihm einen Finger ab- / gebissen habe, schändlicherweise: / ich schwöre mit beiden Händen, / dass sie sich nie kennen gelernt haben, / gibt es Einen, der mir den Eid abnimmt?

Wo immer Kräuter edler Art / in einem grünen Garten Wurzel gefasst haben, / die soll ein einsichtiger Mann / nicht unbehütet lassen. / Er soll sie beschützen wie ein Kind, / indem er sie freundlich im Blick behält. / Das macht dem Herzen Freude / und schenkt auch hochgemute Stimmung. / Wenn schlechtes Unkraut darunter ist, / dann soll er es einzeln herausstechen / (lässt er es, das ist ungewöhnlich), / und er soll achtgeben, ob sich ein Dorn / listig da ausbreitet, damit er den anderswohin lenkt/ weg von seiner Pflanzung, / sonst ist alles vergeblich.

Uns stört eine bestimmte Art von Leuten: / wenn uns jemand die bei Seite schaffte, / dann könnte ein zuchtvoller Mann / am Hofe seinen Platz finden. / Die lassen ihn nicht zu Wort kommen, / ihr Mundwerk ist so gewandt: / verstünde er auch alles, was einer Gutes versteht, / das hülfe ihm nicht das Geringste. / "Ich und ein anderer Narr, wir singen in sein Ohr, / dass niemals ein Mönch im Chor / so laut geschrien hat." / Eines zuchtvollen Mannes Singen, das soll man loben, / das eines Zuchtlosen tadeln: / hier ist das Lied zu Ende.

aufgenommen in der Burg Trifels








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