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Aufführungspraxis

Bei der heutigen Interpretation von Musik des Mittelalters stellen sich vorweg mehrere grundlegende Probleme. Die Quellenlage zur Musiküberlieferung ist aufgrund einer fast ausschließlich mündlichen Tradition sehr lückenhaft.

Nur ein verschwindend geringer Anteil der damals erklungenen Musik wurde aufgezeichnet, vieles ist über die Jahrhunderte verloren gegangen und die Stücke, die überliefert sind, entbehren einen Großteil der für eine Aufführung notwendigen Angaben. Beispielsweise fehlen sämtlichen einstimmigen Liedern Angaben zu möglichen instrumentalen Begleitungen, häufig ist sogar der Rhythmus der Melodie nicht definiert.

Die Instrumente des Mittelalters lassen sich auch nur über ikonographische und manchmal auch Beschreibungen in ihrem Bau rekonstruieren, wobei deren Spielweise damit noch nicht erklärt ist. Diese Probleme lassen es von vorneherein als unmöglich erscheinen dem Klang der früheren Epochen nahe zu kommen.

Dennoch gibt es Möglichkeiten sich der Klangwelt des Mittelalters anzunähern. Durch Studium der mittelalterlichen Musik, deren Strukturen, Tonarten, Klangvorstellungen, Instrumenten und nicht zuletzt durch Hinzunahme lebendiger Musiktraditionen (arabische Musik, Gesänge aus traditionellen mitteleuropäischen Kulturen, etc.) lassen sich eine Interpretation finden, die dem Klang dieser vergangenen Epoche näherkommt. Dabei sind die möglichen Interpretationen im Rahmen dieser Kriterien immer noch vielfältig, weshalb es auch eine Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten gibt.

Und um mit den Worten des Mittelalterdozenten Marc Lewon zu schliessen :

Wir können uns der historischen Realität allein durch die Beschäftigung mit den spärlichen Quellen nähern und so versuchen, die Musik zu verstehen. Hier ist nicht nur die Auseinandersetzung des Künstlers mit den Überlieferungen gefragt, auch der Zuhörer ist gefordert, sich mit der Musik zu befassen und ein Verständnis für diese Musikepoche zu entwickeln. Nur in der gemeinsamen Anstrengung beider kann die Musik neu entstehen.


Diese Punkte sind jedoch für eine historisch korrekte Aufführung mittelalterlicher weltlicher Musik unabdingbar:
Mittelalterliche Dichtung (Minnesang, Spruchdichtung, Epik) muss auswendig mit Gesangsstimme vorgetragen werden, evtl. begleitet von zeitgemäßen Instrumenten.
Der Vortragende ist solo und begleitet sich dabei selbst oder wird von einer oder max. zwei weiteren Personen unterstützt
Idealerweise in historisch korrekter Kleidung in einer akustisch günstigen Anordnung
Auf jegliche Tontechnik muss verzichtet werden








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