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Singet vogel singet





Otto von Botenlauben (13.Jh.) ist berühmt für seine Tagelieder in denen der heraufziehende Tag die heimliche Liebe bedroht. Zu Beginn mahnt der Wächter den Ritter nun endlich von seiner Minnedame zu scheiden, was beiden grosse Qualen bereitet.

Singet, vogel, singet mîner frouwen, der ich sanc!
Ich sanc umb alle ir êre und umbe ir werden friundes lîp.
Den beiden diene ich gerne, ir sô diene ich âne danc.
Daz trûwe ich wol erwenden, sît sich daz wunderschoene wîp
Eins ritters und ir êren hât bewegen.
Ich pflac ir her, nu müeze ir got der rîche pflegen
Und helfe im wol von hinnen, er hât ze lange hie gelegen.

Ich ziuge ez ûf der kleinen vogellîne morgensanc,
daz ich dir hân geleistet, swaz ich dir, ritter leisten sol,
dîm lîbe und mîner frouwen, her des mich mîn triuwe ie twanc,
daz du hiute und iemer mêre bewaht bist und behüetet wol
wan daz ir zorn gen tage mir zwîfel gît.
Nu wecke in, frouwe, ich singe im rehte scheidens zît.
Nu hüete dîn selbes, ritter! Grôz angest bî der liebe lît.“

„Ich bin unsanfte erwecket, frouwe, ob ich entslâfen was,
von maniger vogel sange, die sich dâ fröuwent gen dem tage.
Ich hôrte lûte singen den wahtaer ûf dem palas
Als er uns hât bescheiden; mit sange hôrte ich sîne klage.
Wie hâst du, saelic wîp, mich daz verdaget,
daz du niht spraeche: „ritter, wache, ich waene ez taget!“
nu muoz ich von dir scheiden; grôz angest mich von liebe jaget.“



Singet Vögel, singet laut für meine Herrin, der auch ich sang! Ich sang für ihre Ehre und das Leben ihres Geliebten. Den beiden diene ich gerne, doch sie lässt mich ohne Dank. Die Treue kann ich kündigen, seit die wunderschöne Frau das Leben ihres Ritters und ihre Ehre aufs Spiel gesetzt hat. Ich behütete sie, nun muss ihr Gott selbst beistehen und ihm von dannen helfen. Er hat zu lange hier gelegen.

Der Morgengesang der kleinen Vögel ist mein Zeuge, dass ich dir geleistet habe, was ich dir Ritter leisten sollte, deinem Leben und meiner Herrin, was mir die Treue gebot. Auf dass du heute und von nun an behütet bist, auch wenn ihr Zorn am Morgen mir Zweifel gibt. Nun wecke ihn Herrin, ich singe ihm zur rechten Zeit zu Scheiden. Nun hüte Dich Ritter! Große Gefahr mit der Liebe geht.

„Ich bin unsanft geweckt worden, Herrin – ich war wohl eingeschlafen vom Gesang der Vögel, die sich auf den Tag freuen. Ich hörte laut den Wächter auf dem Palas singen, wie er uns mahnt; im Gesang hörte ich ihn klagen. Wie hast du Geliebte, mir das verschwiegen und nicht gesagt: Ritter, wach auf, ich glaub es ist Tag! Nun muss ich von Dir scheiden, denn große Angst treibt mich von der Liebe.

aufgenommen in der Burg Trifels,
gespielt auf einer romanischen Harfe








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