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Musik des Mittelalters

Das Mittelalter umfasst eine Epoche vom Ende der Völkerwanderungszeit und die Konsolidierung der Machtverhältnisse im 5./6.Jh bis hin zu den Umbrüchen der Kultur und Gesellschaft ab Mitte des 15.Jh. Je nach Lesart endet das Mittelalter mit der Erfindung des Buchdruckes 1445, der Eroberung Ost-Roms (Konstantinopel 1453), der Entdeckung der Neuen Welt 1492 oder der Beginn der Reformation 1517. Vielfach wird das Jahr 1500 daher als Beginn der Renaissance festgelegt.

Diese Zeit gliedert sich musikalisch in drei Epochen
  • die Zeit seit der Entstehung des gregorianischen Chorales bis etwa 1100 mit vorwiegend einstimmiger Musik religiös wie weltlich
  • die Musik des 12. und 13. Jahrhunderts (Notre-Dame-Schule) mit der Entwicklung mehrstimmiger religiöser Musik und der einstimmigen Trobadordichtung und des Minnesangs bis hin zu den ersten Versuchen weltlicher Mehrstimmigkeit
  • die Musik von etwa 1300 bis 1450 (Ars Nova, Trecento) mit einer zunehmenden Ausdifferenzierung unterschiedlicher Stile in verschiedenen Ländern. In Deutschland mit dem Meistersang und später der mehrstimmigen weltlichen Musik der Frührenaissance, mit Motetten und Madrigalen.


Es gibt kaum überlieferte Instrumentalmusik aus dieser Zeit. Die Notenüberlieferung ist im weltlichen Bereich insgesamt sehr schmal dokumentiert (da Notenschrift und Schreiben lange Zeit eine Domäne der Klöster war, diese nur als „Nebeneffekt“ auch weltliche Musik verschriftlichten).

Antike

Der griechische Mathematiker Pythagoras entwickelte erstmals eine Musiktheorie. Er verkündete: »Alles ist Zahl«, auch die Welt der Musik. So schuf er die mathematischen Grundlagen der Intervallzuordnung, befasste sich mit dem Problem, wie die Instrumente zu stimmen seien, und übertrug die Gesetze der musikalischen Harmonie auf die Bewegungen der Himmelskörper.
Griechenland hatte jene Tonleiter »erfunden«, die der abendländischen Musik das Fundament gab. Entscheidend dafür war der Wechsel von der in allen Kulturen üblichen Pentatonik, einer halbtonlosen Fünftonleiter, zur siebenstufigen Tonleiter, der als Abschluss die erste Tonstufe noch einmal folgt, jetzt um eine Oktave versetzt. Die frühe Form dieser Tonleiter wurde in der sogenannten Dasia-Notation aufgeschrieben.
Die Musik wurde bis zum Ende der Renaissance wie im alten Griechenland als eine der sieben freien Künste angesehen. Die sechs anderen waren Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie und Astronomie. Eine wichtige Quelle zum Verständnis dieser Epoche ist der römische Gelehrte Boethius, der durch viele Traktate das Musikverständnis seiner Zeit erläutert.
Für die christliche Musik des Mittelalters lieferte das Judentum wichtige Impulse, etwa beim unbegleiteten Singen von Psalmen und Hymnen oder im Wechselgesang zwischen Solist und Chor. Bei der Einbindung musikalischer Elemente in die Liturgie wurden regionale Traditionen schließlich durch den gregorianischen Gesang ersetzt.

Frühmittelalter

Die Gregorianik entstand aus den frühchristlichen Gesängen der Spätantike. Sie ist einstimmig und gilt als Bindeglied zwischen Antike und Mittelalter.
Darin findet sich die Übernahme des griechischen Tonsystems, das in abgewandelter Form die Grundlage für die Kirchentonarten bildet – für jenes tonale Ordnungsprinzip also, das die Musik bis ins 16. Jahrhundert prägt und bis ins 18. Jahrhundert nachwirkt. Wichtige Schriften für die Musiktheorie stammen vom spätantiken römischen Schriftgelehrten Boethius, der im frühen 6.Jh. einen großen Einfluss mit seinen Übersetzungen griechischer Werke ins Latein auch auf die Musiktheorie besaß.
Bestimmend für die Ausprägung der Gregorianik, der Papst Gregor der Große (540 bis 604) den Namen gab, wurde die »karolingische Renaissance« des 9. Jahrhunderts, als die der Legende nach von Papst Gregor eingeleitete Vereinheitlichung des liturgischen Gesangs nach 300 Jahren zum Abschluss kam. Bis zum 9.Jh wurden die liturgischen Gesänge der Gregorianik gemäß der altgriechischen Tradition auf mündlichem Wege von Generation zu Generation überliefert.
Mit der erstmaligen schriftlichen Fixierung von Musik im 9.Jh. setzte eine jahrhundertelange Entwicklung ein, die über die Choral-, Modal- und Mensuralnotation schließlich zu unserer heute gebräuchlichen Notenschrift führte. »Neumen« (griechisch »neuma«, »Wink«) nennt man die ersten mittelalterlichen Notenzeichen, die als Striche, Punkte und Häkchen eine rudimentäre Orientierungshilfe für den Verlauf der Melodie boten, aber weder Tonhöhe noch Rhythmus festlegten. Es war ein Behelfssystem, das an die Aufzeichnungsversuche der Griechen erinnert, aber keine Mehrstimmigkeit abbilden kann.
Die weltliche Musik des Frühmittelalters ist daher fast nicht überliefert. Vereinzelte Sprachsprengsel in Handschriften. lassen aber vermuten, dass es eine solche gab. Wie diese geklungen hat, können wir nur erahnen. Angelehnt an die Gregorianik sollte daher auch die weltliche gedacht werden. Die Heldenlieder wurden, wie der Name sagt, gesungen vorgetragen, wobei es eher einem Sprechgesang ähnlich der Rezitation in der Gregorianik zu denken ist. Die Instrumente die hierfür Verwendung fanden sind Leier, romanische Harfe, Cythara, Luren, Trommeln und Spaltflöten.

Hochmittelalter

Das erstarkende Rittertum mit dem Lehnsgedanken führt in der Zeit der Salier und Staufer zu einem europäischen Stand von Rang, der sich auch in der weltlichen Musik ausdrückt. Hierbei sind die Trobadors im Südwesten Frankreichs Wegbereiter, die mit Guillaume d’Aquitaine den ersten Trobador überliefern. Diese Art von Lyrik der „Amour courtois“ setzt sich an den Höfen Frankreichs und später auch in Deutschland als Minnesang durch. Darüber hinaus gibt es auch Sangspruchdichtung (politisch motiviert ) und Epik, die mit den großen Werken der Artusritterromane (Perceval/Parzival, Yvain/Iwein….) oder dem Nibelungenlied bis heute ein fester Bestandteil des kollektiven Gedächtnis bilden. Die bekanntesten Vertreter in diesen Genres sind Walther von der Vogelweide, Reinmar von Zweter, Wolfram von Eschenbach, Hartmann von Aue und Neidhart. Diese werden alle in der großen Heidelberger Liederhandschrift, dem Codex Manesse aufgeführt (Texte und Bilder sind dabei ohne Musiküberlieferung).
Daneben tauchen auch volkstümliche Elemente auf, wie in den Carmina Burana. Religiöses mischt sich dort mit weltlicher, spielmännischer Lust, was den fließenden Übergang zwischen beiden Sphären zeigt, die voneinander nicht zu trennen sind. So auch in der Spätphase des Minnesangs, als die Jungfrau Maria als Minnedame erkoren wird…
Neue Instrumente werden ( meist aus dem Orient ) übernommen, Fidel mit gestrichenem Bogen, Dudelsack, Schalmei, Radleier.

Spätmittelalter

Das Ende der Stauferzeit markiert den Übergang zum Spätmittelalter. Musikalisch tauchen nun auch in der weltlichen Musik vermehrt mehrstimmige Werke auf (Ars Nova in Frankreich, Trecento in Italien). Aus dieser Zeit sind Guillaume de Machaut und Philipp Vitry, ebenso auch Francesco Landini die Vorreiter, die völlig neue polyphone Klangwelten erschufen. Die vierstimmige „Messe de Nostre Dame“ von Guillaume de Machaut wird ein Wendepunkt in der Musikgeschichte hin zur polyphonen Musik der Renaissance. Frankreich und Italien werden zu maßgeblichen Vorreitern in einer neuen Musik. Hierbei tauchen auch immer mehr gezupfte Saiteninstrumente auf (Knickhalslaute, Cisther etc.), die den polyphonen Klang der Zeit versuchen in einem Instrument zu vereinen.
Diese neuen Einflüsse aus Frankreich und Italien sind ein wichtiger Impulsgeber im 14.Jh. in Mitteleuropa . An der Schnittstelle wirkte Oswald von Wolkenstein (Südtirol), der ein großer Wegbereiter für die weltliche Mehrstimmigkeit im deutschen Sprachraum wurde. Er nahm Kompositionen aus dem Trecento und der Ars Nova und textete sie neu (Kontrafakturen). Bisweilen sind auch eigene mehrstimmige Kompositionen darunter. Nicht so kunstvoll aber nicht minder originell sind die Lieder des Mönchs von Salzburg und des Hugo von Montforts. In den erstarkenden Städten mit ihren Zünften etabliert sich der Meistersang (z.B. Hans Sachs in Nürnberg). Die Epigonen des Minnesangs dichten in einer nun stark formalisierten Sprache, die vielfach auch religiösen Inhalt bekommt. Mit Michel Beheim taucht im Südwesten Deutschlands nochmal ein Sänger auf, der ganz in der Tradition des einstimmigen Gesangs mit politischen, moralischen und religiösen Texten an den Höfen zu Gast ist.

Renaissance

Der Umbruch zur Mehrstimmigkeit vollzieht sich in Deutschland Mitte des 15.Jh. Ein Meilenstein der Musikgeschichte wird die vierstimmige Komposition „Innsbruck ich muss dich lassen“ von Heinrich Isaac. Sie taucht in unzähligen Liedern der Zeit als Inspirationsquelle wieder auf. Die Hofhaltung legt zunehmend Wert auf Glanz und Darstellung. Dadurch bekommt die weltliche Musik (auch die Instrumentalmusik) eine große Bedeutung. Komponisten wie Ludwig Senfl, Hans Leo Hassler und Orlando di Lasso sind als die großen Vertreter im deutschsprachigen Raum bekannt geworden. Eine eigene Instrumentalmusik entwickelt sich, um den Bedarf bei Hofe abzudecken. Instrumente werden nun meist als Quartette in unterschiedlichen Tonlagen gespielt (Streichinstrumente und Blechblasinstrumente).
Dennoch bleibt gerade im deutschsprachigen Raum das Lied („Tenorlied“) in seiner schlichten Form erhalten und wird nun mehrstimmig ausgeziert. Hierfür wird gerne die Knickhalslaute als Begleitinstrument gewählt, die mit einer eigenen Tabulaturschrift einen Sonderweg in der Musiknotation geht. Nach dem Buchdruck werden nun auch Drucklettern für Noten entwickelt. Die allgemeine Notenschrift bekommt in der Renaissance ihr heutige Form, die aus der Mensuralnotation des Spätmittelalters hervorgegangen war. Der Umbruch durch die Reformation gibt der Musik noch einmal einen großen Impuls, da nun weltliche Melodien in geistlicher Musik mit neuem deutschem Text auftauchen (Paul Gerhardt, u.a.). Diese Kirchenlieder sind bis heute immer noch in Gebrauch.
Mit dem Komponisten Monteverdi und seinem Werk „Orfeo“ taucht die weltliche Musik Anfang des 17.Jh. in eine neue Zeit ein – den Barock.








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